Spritzgießen und Fließpressen

Die Gruppe Spritzgießen und Fließpressen ist spezialisiert auf die Entwicklung großserientauglicher Prozesse und Verfahren zur Formgebung fließfähiger Materialsysteme. Neben Standard-Spritzgieß- und Fließpressverfahren bilden hierbei vor allem einstufige ressourcen- und energieeffizienten Direktprozesse sowie maßgeschneiderte lokale kontinuierliche Faserverstärkungen und funktionalisierte Monomaterialsysteme einen Schwerpunkt.

Spritzgießfertigungszelle zur Verarbeitung von duromeren und thermoplastischen Materialsystemen
© Fraunhofer ICT
Spritzgießfertigungszelle zur Verarbeitung von duromeren und thermoplastischen Materialsystemen

Thermoplastische Spritzgießprozesse

Engel duo 700 Spritzgießcompounder
© Fraunhofer ICT
Engel duo 700 Spritzgießcompounder

Mit modernster, großserienfähiger Anlagentechnik werden thermoplastische Materialsysteme im Spritzgießprozess am Fraunhofer ICT verarbeitet. Schwerpunkte liegen auf der Verarbeitung von Hochleistungskunststoffen und Hybridisierungstechnologien sowie dem Thermoplast-Schaumspritzgießen (TSG) und der Verarbeitung von langfaserverstärkten Thermoplasten (LFT).

Bei TSG-Verfahren wird die Polymerschmelze mit einem Treibmittel beladen, welches nach dem Einspritzvorgang das Aufschäumen der Formmasse in der Kavität bewirkt. Gemeinsam mit unseren Partnern entwickeln wir Materialzusammensetzungen und Prozesse für geschäumte Bauteile, wobei sowohl chemische als auch physikalische (MuCell®) Treibmittel eingesetzt werden.

Wird das Compoundieren und die Formgebung zu einem Prozess verbunden, ergeben sich für den Kunststoffverarbeiter neue, innovative Möglichkeiten zur Verbesserung der mechanischen Eigenschaften von Bauteilen bei gleichzeitiger Energie- und Materialkosteneinsparung. Durch das Einarbeiten von Verstärkungsfasern lassen sich im Spritzgießprozess LFT Materialien in einem Direktprozess verarbeiten (LFT-D), wodurch größere Faserlängen als bei einem konventionellen granulatbasierten Spritzgießprozess realisiert werden können.

In enger Zusammenarbeit mit der Fachgruppe Materialentwicklung und Compoundiertechnologien werden darüber hinaus thermoplastische Materialsysteme entwickelt, im Spritzgießprozess verarbeitet und charakterisiert. Neben den Hochleistungsthermoplasten liegt der Fokus hier insbesondere auf nachhaltigen, biobasierten Thermoplasten sowie Rezyklaten.

Duromerer Spritzgießprozess

Im Duromer-Spritzgießen gefertigte Einlassseite eines hybriden Kunststoff-Metall Kurbelgehäuses
© Fraunhofer ICT
Im Duromer-Spritzgießen gefertigte Einlassseite eines hybriden Kunststoff-Metall Kurbelgehäuses

Im Gegensatz zu Thermoplasten, die mehrfach geschmolzen und umgeformt werden können, durchlaufen duromere Polymere beim Erhitzen eine chemische Vernetzungsreaktion, was zu einer festen und irreversiblen Struktur führt. Diese Eigenschaft verleiht duromeren Werkstoffen eine herausragende Festigkeit und Hitzebeständigkeit und macht sie ideal für Anwendungen unter anspruchsvollen Bedingungen. Duromere Werkstoffe haben darüber hinaus hervorragende elektrische Isolationseigenschaften und eignen sich somit ideal für Anwendungen in der Elektro- und Elektronikindustrie. Sie bieten eine hohe Durchschlagfestigkeit, eine niedrige elektrische Leitfähigkeit und eine ausgezeichnete Flammbeständigkeit, was die Sicherheit und Zuverlässigkeit von elektrischen Komponenten gewährleistet. Am Fraunhofer ICT können rieselfähigen, duromere Formmassen bis zu einem Schussvolumen von 800 ccm im Spritzgießverfahren verarbeitet werden. Im Kontext des Vergießens von elektronischen Komponenten wird zukünftig zusätzlich die Verarbeitung von höchst niederviskosen Formmassen im Transfermolding, bis zu einem Schussvolumen von 1400 ccm möglich sein.

Sheet Molding Compound (SMC)

Schmidt & Heinzmann CUBE 1600 SMC Linie zur SMC Halbzeugherstellung
© Fraunhofer ICT
Schmidt & Heinzmann CUBE 1600 SMC Linie zur SMC Halbzeugherstellung

Der duromere Verbundwerkstoff Sheet Molding Compound (SMC) ermöglicht den Einsatz von Leichtbaulösungen in Anwendungsbereichen, die durch hohe Anforderungen an mechanische, chemische und thermische Belastungen gekennzeichnet sind. Am Fraunhofer ICT konzentrieren sich die Forschungsaktivitäten auf die Entwicklung von Materialien und Prozessen für das Compoundieren und Fließpressen von SMC. Dies umfasst die Entwicklung von Rezepturen, den Einsatz neuer Harzsysteme und Verstärkungsfasern sowie die Optimierung und Digitalisierung der Prozessführung. Dabei werden sowohl konventionelle duromere Harzsysteme als auch thermoplastische Harzsysteme für Anwendungen in der Automobil- und Nutzfahrzeugindustrie eingesetzt und weiterentwickelt.

Langfaserverstärkte Thermoplaste im Direktverfahren (LFT-D)

Unterbodenstruktur aus lang und endlosfaserverstärktem Polyamid 6
© Fraunhofer ICT
Unterbodenstruktur aus lang und endlosfaserverstärktem Polyamid 6

Im Bereich der langfaserverstärkten Thermoplaste konzentriert sich die Forschung am Fraunhofer ICT auf die Material- und Prozessentwicklung im LFT-Direktverfahren (LFT-D) sowie auf das Fließpressen der thermoplastischen Formmasse. Durch die schonende Einarbeitung von Verstärkungsfasern im effizienten Zwei-Extruder-Verfahren bei gleichzeitig geringen Scherkräften im Fließpressverfahren können höhere Faserlängen als in vergleichbaren Spritzgießprozessen erreicht werden. Verarbeitet werden im LFT-D Verfahren alle gängigen technischen Thermoplaste, Verstärkungsfasern und Rezyklate. Mit verfügbaren Zusatzgeräten wie IR-Heizfeldern und Öfen werden auch großflächige Strukturen wie beispielsweise Unterbodenverkleidungen, Batteriegehäuse und -abdeckungen umgesetzt. Neben einer 6.300 kN Presse können Bauteilabmusterungen auch auf einer Hydraulikpresse mit 36.000 kN Presskraft durchgeführt werden.

3D Skelett Wickeltechnik (3DSW)

Die 3DSW ist ein roboterbasiertes 3D-Faserwickelverfahren zur vollautomatisierten Herstellung von kontinuierlich faserverstärkten Skelettstrukturen mit komplexen Geometrien und kurzen Zykluszeiten. Gemeinsam mit unseren Partnern entwickeln wir Fertigungsprozesse und -anlagen sowie Konstruktionsmethoden für die Realisierung thermoplastisch imprägnierter Faserskelettstrukturen, die beispielsweise als lokale Verstärkung struktureller Spritzgießbauteile oder als leichte Skelettbauteile eingesetzt werden.

Industrialisierter 3DSW Prozess
© Fraunhofer ICT
Industrialisierter 3DSW Prozess
Strukturelles Spritzgießbauteil mit integrierter 3DSW-Verstärkung
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Strukturelles Spritzgießbauteil mit integrierter 3DSW-Verstärkung
3D-gedruckte Fahrradtretkurbel mit externer 3DSW-Verstärkung
© Fraunhofer ICT
3D-gedruckte Fahrradtretkurbel mit externer 3DSW-Verstärkung

Funktionalisierung von kontinuierlich faserverstärkten Halbzeugen durch diskontinuierlich faserverstärkte Thermoplaste

Werden Prozesse zur Herstellung von kontinuierlich faserverstärkten Halbzeugen wie beispielsweise Organobleche oder Sandwichstrukturen mit dem Spritzgießprozess oder LFT-D Fließpressen kombiniert, eröffnen sich vielfältige Anwendungen zur effizienten und großserienfähigen Funktionalisierung von kontinuierlich faserverstärkten Halbzeugen. Durch das Zusammenspiel der verschiedenen Prozesse können die Vorteile der kontinuierlichen Faserverstärkung mit den im Spritzgießen oder Fließpressen möglichen komplexen Geometrien genutzt werden. Neben zwei hydraulischen Pressen (6.300 kN und 36.000 kN Presskraft), steht auch eine bolt-on Spritzaggregat (max. Dosiervolumen 2.290 cm³) zur Verfügung, das direkt an 36.000 kN Presse angeschlossen werden kann.  

Dieffenbacher Hydraulik-Presse DYL630/500
© W. Mayrhofer
Dieffenbacher Hydraulik-Presse DYL630/500
Dieffenbacher Hydraulik-Presse DCP-G 3600/3200 AS
© W. Mayrhofer
Dieffenbacher Hydraulik-Presse DCP-G 3600/3200 AS
Bolt-on Arburg SPE 460 Spritzaggregat
© W. Mayrhofer
Bolt-on Arburg SPE 460 Spritzaggregat

Wir bieten unseren Projektpartnern und Kunden am Fraunhofer ICT die Möglichkeit, spezifische Automatisierungslösungen und Prozesskombinationen prototypisch umzusetzen. Unsere modernen Anlagen und Fachexperten stehen Ihnen zur Verfügung, um maßgeschneiderte Lösungen für Ihre individuellen Anforderungen zu entwickeln. Für Materialabmusterungen und Parameterstudien halten wir eine vielfältige Auswahl an Plattenwerkzeugen bereit. Zudem können wir lokale oder vollflächig kontinuierlich faserverstärkte Halbzeuge mit diskontinuierlich faserverstärkten Fließpress- oder Spritzgießmaterialien durch Co-Molding kombinieren. Dabei greifen wir auf eine breite Palette von Werkzeugen mit generischen Geometrien sowie anwendungsorientierten Bauteildemonstratoren zurück.