Chemische Prozesstechnik & Flow Chemistry

Im Forschungsbereich Chemische Prozessentwicklung werden Verfahren zur Synthese und Prozessierung von energetischen Materialien und Feinchemikalien bis in den Technikumsmaßstab realisiert. Im Vordergrund stehen kontinuierliche, mikroverfahrenstechnische und überkritische Prozesstechniken. 

Kontinuierliche Prozessführung und Mikroverfahrenstechnik

Moderne kontinuierliche Prozesse und Verfahren ermöglichen eine skalierbare, energieeffiziente und ressourcenschonende Prozessführung.

Durch die präzise Prozessführung in Mikroreaktoren, Mikromischern und anderen mikrostrukturierten Anlagen können zudem gegenüber konventionellen Syntheseverfahren signifikante Verbesserungen im Hinblick auf Ausbeute, Selektivität, Produktqualität und Sicherheit erreicht werden. Mikrostrukturierte Apparate zeichnen sich insbesondere durch hohe Oberfläche/Volumenverhältnisse und Kanaldimensionen im sub-Millimeterbereich aus, die eine starke Intensivierung von Wärme- und Stofftransport im Prozess ermöglicht. Die Mikroverfahrenstechnik bietet so Zugang zu neuen Prozessfenstern und Synthesewegen.

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Mikrostrukturierter Reaktor

Am Fraunhofer ICT werden seit über 15 Jahren mikroverfahrenstechnische Prozesse für folgende Zwecke eingesetzt:

AKTUELL: »Scale-up von mikrofluidischen Mehrphasen-Prozessen« [pdf]

Mikrofluidische Emulsionsbildung

Gefahrgeneigte Prozesse

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Sichere Fahrweise gefahrgeneigter Prozesse

Ein Spezialgebiet am Fraunhofer ICT ist die Entwicklung von chemischen Prozessen für die sichere Prozessführung explosionsfähiger oder anderweitig gefahrgeneigter Reaktionssysteme. Hierbei stützen wir uns auf unsere über 50-jährige Expertise auf dem Gebiet der Explosivstoffsynthese sowie die zugehörige Infrastruktur und Sicherheitsausstattung.

Die Vorteile der Mikroverfahrenstechnik lassen sich besonders für Prozesse mit erhöhtem Gefährdungspotenzial nutzen - sei es, um starke Wärmetönungen abzufangen, Nebenprodukte und Zersetzungsreaktionen zu unterdrücken oder um toxische, explosive oder anderweitig labile Produkte und Intermediate in kleinen Reaktorvolumina und bei kurzen Standzeiten sicher am ‘Point of Use‘ zu prozessieren. Neben verschiedenen Laborprozessen werden am Fraunhofer ICT spezielle Multipurpose-Anlagen im technischen Maßstab entwickelt, die sowohl die kontinuierliche Synthese von explosiven Gefahrstoffen als auch deren anschließende kontinuierliche Aufarbeitung in relevanten Produktionsmengen erlauben. Typische Durchsätze liegen im Bereich von einigen 100 Gramm pro Minute.

Fraunhofer-Leitprojekt »ShaPID«

Shaping the Future of Green Chemistry by Process Intensification and Digitalization

Im Leitprojekt ShaPID betreibt die Fraunhofer-Gesellschaft anwendungsnahe Vorentwicklungen, die auf eine Stärkung und Etablierung grüner chemischer Prozesse ausgerichtet sind.

Das Fraunhofer ICT entwickelt mit mehreren Partnerinstituten eine modulare kontinuierliche Prozesstechnik für die point-of-use und on-demand Bereitstellung von hochreaktiven Reagenzien für Folgeprozesse. Dies ermöglicht im Bereich der Fein- und Spezialitätenchemikalien die Realisierung von atomeffizienten organochemischen Synthesen und signifikant verkürzte Synthesewege. Auf diese Weise werden sowohl bei den Abfallmengen als auch bei den Energie- und Lösungsmittelverbräuchen deutliche Reduktionen erreicht.

ShaPID

Thermische Membrantrennverfahren

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Flachmembranmodule im Labor- und Technikumsmaßstab

Wachsende Anforderungen an die Energie- und Rohstoffeffizienz und die zunehmend begrenzte Verfügbarkeit wichtiger Rohstoffe und Schlüsselkomponenten führen aktuell zu einer intensiven Optimierung der Produktionsabläufe im Bereich der Verarbeitung flüssiger Prozessmedien, z. B. durch Modifikation bestehender oder Integration  zusätzlicher Aufarbeitungsschritte zur Abtrennung oder Rezyklierung wichtiger Komponenten.

Aufgrund des vergleichsweise geringen Temperaturniveaus bzw. Energiebedarfs, der höheren Selektivität und Produktschonung sowie der Eignung für gefährliche, toxische oder chemisch aggressive Substanzen und für schwer trennbare Gemische (z. B. Azeotrope) gewinnen thermische Membrantrennverfahren in diesem Bereich zunehmend an Bedeutung. Im Rahmen unserer Entwicklungen im Bereich Mikroreaktionstechnik und Flow Chemistry werden im Fraunhofer ICT Verfahren und Materialien für den Einsatz thermischer Membrantrennverfahren wie der Membrandestillation oder der Pervaporation entwickelt bzw. getestet, z. B. für Anwendungen wie

  • Aufarbeitung und Rezyklierung aggressiver oder schwer trennbarer Prozessmedien (Säuren, Lösemittel, azeotrope Mischungen etc.)
  • Performanzerhöhung durch inline-Abtrennung von Produkt / störenden Nebenprodukten
  • vereinfachtes Downstreamprocessing durch Abtrennung mit höherer Selektivität
  • kontrollierte und schonende Produktabtrennung durch membrangestützte Kristallisation

Hochdruckanwendungen

Überkritische Pilotanlage
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Überkritische Pilotanlage

Der Einsatz überkritischer Fluide (sc-Fluid) zur Erzeugung und Modifikation feindisperser Partikelsysteme offeriert eine besonders schonende Verfahrensführung für temperatursensible Materialien. Dabei werden die speziellen Eigenschaften überkritischer Fluide wie niedrige Viskosität, fehlende Oberflächenspannung und hohe Dichte genutzt. Zum Einsatz kommen Verfahren, bei denen das überkritische Fluid als Lösungsmittel (RESS) oder als Antisolvent (PCA) fungiert. Darüber hinaus lassen sich Partikel auch mit dem PGSS-Verfahren herstellen, bei dem eine mit dem sc-Fluid gesättigte Schmelze zerstäubt wird. Das Schäumen oder ein gezieltes Abscheiden von Wirkstoffen in einem festen Matrixmaterial sind ebenfalls Anwendungsfelder überkritischer Fluide.

Es stehen Anlagen vom Labormaßstab bis hin zur kontinuierlich betriebenen Pilotanlage zur Verfügung. Grundlegende Untersuchungen zum Hochdruckphasengleichgewicht binärer Stoffsysteme können an einer statischen Apparatur bis zu Drücken von 100 MPa durchgeführt werden.

Lösbare Klebstoffe

Am Fraunhofer ICT werden Klebstoffe auf Polyurethan- oder Epoxidbasis für den Konstruktionsbau entwickelt. Mittels Mikrowellenstrahlung können diese besonders schnell ausgehärtet werden bzw. durch die Verwendung von aktivierbaren Stoffen kann gezielt ein Trennen der Fügeteile bewirkt werden.

Entwickelt und charakterisiert werden 2K-Klebstoffe auf PU- oder EP-Basis für den Konstruktionsbau. Neben Verklebungen von Kunststoffen wie PU, PMMA, PC können auch Metall-Kunststoff-Klebungen gezielt aktiviert werden, um die Fügepartner voneinander zu trennen. Dieser Prozess kann je nach Applikation weitestgehend kraft- und rückstandsfrei erfolgen, um eine folgende Wiederverwertung zu ermöglichen. Mit Zugscherfestigkeiten von ca. 25 MPa sind diese aktivierbaren Klebstoffe genauso leistungsfähig wie kommerziell erhältliche Produkte.

Charakterisierungsmethoden

  • Probenherstellung und Zugscherfestigkeit nach DIN 53281 und DIN EN 1465
  • Materialverträglichkeit (DSC/ TGA, IR, Vakuumstabilität)
  • Dielektrische Eigenschaften im Resonanzverfahren
  • Debonding-Eigenschaften  mit versch. Strahlungsquellen
  • Großflächiges Mikrowellenarray mit 16 Strahlungsquellen für Proben bis 0,5m²

Leistungen

  • Klebstoffentwicklung nach Kundenwunsch
  • Debondingskonzept
  • Klebstoffprüfung
Mikrowellenanlage zum Lösen von Klebstoffproben
© Fraunhofer ICT
Mikrowellenanlage zum Lösen von Klebstoffproben