Jahresbilanzpressekonferenz des Fraunhofer ICT
Erfolgreiches Jahr des Fraunhofer-Instituts für Chemische Technologie ICT Pfinztal



Neues vom Hummelberg / Windrad kommt / Gebäude effizient und ressourcenschonend dämmen / Testcenter Explosivstoffdetektionssysteme / Internationale ICT-Jahrestagung in Karlsruhe
(Pfinztal) Im Rückblick auf das Jahr 2011 blieb sprichwörtlich vieles »beim Alten«. Das bedeutet natürlich nicht, dass wir untätig waren, ganz im Gegenteil. Wir haben weiter gebaut und erneuert, eine weitere Instituts-Tochter gegründet, unseren Haushalt und die Mitarbeiteranzahl deutlich gesteigert, den Industrieertrag ausgebaut, die Anzahl der Forschungs- und Entwicklungsprojekte nochmals erhöht und vieles mehr.
Projekt RedoxWind
Das Projekt »RedoxWind«, die Entwicklung eines sehr großen Energiespeichers (20 MW/h) auf Basis einer Redox-Flow-Batterie in Kombination mit einem 2 MW Windrad ist genehmigt, und das Budget in den Haushalten eingestellt. Das Land Baden-Württemberg und das Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF unterstützen das Vorhaben mit jeweils 8 Mio. Euro, die Fraunhofer-Gesellschaft steuert aus Eigenmitteln 3 Mio. Euro bei. Das Projekt wird am Hummelberg von 2012 bis 2016 umgesetzt. »Da für die Technologie ein hohes Umsetzungs- und Marktpotenzial für spezifisch im Vorhaben entwickeltes Know-How sowie für Schutzrechte erwartet wird, werden deutsche, ins besondere Baden-Württembergische Firmen als Projektpartner einbezogen«, sagt der Projektleiter Jens Tübke, Abteilungsleiter Angewandte Elektrochemie am Fraunhofer ICT. 2013 wird das Windrad auf dem Gelände des Fraunhofer ICT aufgebaut, das Batteriegebäude zur Entwicklung des Energiespeichers kommt in unmittelbare Nähe zur energieerzeugenden Anlage.
Batterietestung
Auch im Zusammengang mit unseren hausinternen Entwicklungen haben wir gemeinsam mit unseren Partnern unser neues Batterietestgebäude eröffnet. Im Zuge des zunehmenden Einsatzes von chemischen Energiespeichern, insbesondere in Hinblick auf die stetig größer werdenden Systeme für stationäre und mobile Anwendungen unserer Kunden, haben wir unsere elektrochemischen analytischen Untersuchungsmöglichkeiten für Batterien stark ausgebaut. Wir sind nun in der Lage thermische, mechanische und elektrische Sicherheitstests an Li-Ion Zellen und an Modulen bis 6kWh durchzuführen. Dabei können wir die Tests nach Kundenanforderungen gestalten und die austretenden Gase qualitativ und quantitativ bestimmen.
Projektgruppe Elektrochemische Speicher gegründet
Am Standort Garching bei München entsteht – gefördert durch das Bayerische Staats¬ministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie – die Projektgruppe »Elektrochemische Speicher«. In den kommenden 5 Jahren werden ca. 40 Mio. Euro in den Aufbau von Gebäuden, der Beschaffung von Anlagen, der sogenannten »Erstausstattung«, und in den Aufbau des Personalstammes investiert. Auf den geplanten 3000 qm für Büros, Labore, Technika und Testeinrichtungen sollen in 10 Jahren etwa 80 Mitarbeiter unter anderem an neuen, großen Batteriesystemen forschen, post mortem Untersuchungen an Batteriemodulen durchführen, Rückläufer zerlegen und analysieren sowie eine Kleinserienfertigung für neue Batteriesysteme aufbauen.
Neues Verwaltungsgebäude
Schier unaufhörlich widmen wir uns der Modernisierung unseres Instituts sowie der Erweiterung der Betriebsflächen. So konnten wir im September 2011 unser neues Verwaltungsgebäude beziehen. Die über 40 Jahre alten Laborgebäude aus unserer »Gründerzeit« am Eingang des Instituts wurden durch diesen Neubau mit 1.100 qm Nutzfläche und Gesamtbaukosten von 3,5 Mio. Euro ersetzt.
Wirtschaftliche Situation
Der Haushalt des Fraunhofer ICT ist auf etwa 32 Mio. Euro angewachsen, das entspricht einer Steigerung gegenüber dem sehr erfolgreichen Vorjahr von 7 Prozent. »Zugelegt haben wir in allen Geschäftsfeldern. Der Erfolg beim Einwerben von Forschungsmitteln zeigt uns, dass unsere Forschungsthemen aktuell sind und die duale Ausrichtung auf zivile und verteidigungsbezogene Forschung nach wie vor ein Erfolgsmodell ist«, stellt Institutsleiter Peter Elsner fest. Resultierend aus den verstärkt eingeworbenen Projektmitteln wurde der Mitarbeiterstamm in 2011 um 20 Stellen erweitert. Bei der Finanzierung ist der Anteil, der direkt aus der Industrie eingeworben wurde auf 38 Prozent gestiegen. Der Wirtschaftsertragsanteil ist eine wichtige Kenngröße für die Fraunhofer Gesellschaft mit ihrer Ausrichtung auf angewandte, industrienahe Forschung. Die verbleibenden 62 Prozent setzen sich aus geförderten Vorhaben mit Industriepartnern also zum Beispiel BMBF- oder EU-Projekten sowie der Grundfinanzierung zusammen.
Sicherheitsforschung: Testcenter Explosivstoffdetektionssysteme
Das Verbot, Flüssigkeiten bei Flugreisen im Handgepäck mitzunehmen, haben die Fluggäste seit der Einführung der entsprechenden EU-Verordnung Ende 2006 am eigenen Leib erfahren. An der Sicherheitskontrolle wird die Cola oder das Wasser noch schnell leer getrunken, Shampoos, Cremes und Marmeladen oder ähnliche flüssige oder gelförmige »Substanzen« werden von den Sicherheitsbeamten konfisziert, wenn die Packungsgröße über 100 ml liegt. Hintergrund des Verbotes ist die Angst vor Sprengstoffanschlägen auf Flugzeuge, verbunden mit der derzeit fehlenden Möglichkeit an den Flughafen-Sicherheitskontrollen Flüssigsprengstoffe zu detektieren. Das Fraunhofer-Institut Chemische Technologie wurde auf europäischer Ebene mit der Entwicklung eines Sicherheitskonzeptes sowie einer ersten Testphase für kritische Explosivstoffe und Explosivstoffmischungen beauftragt. Daraus wurden Testroutinen abgeleitet mit der nun Detektionssysteme auf Einsatztauglichkeit geprüft werden können. Im Auftrag der Bundespolizei testet das Fraunhofer ICT inzwischen, als nationales Testzentrum für die Detektion von Flüssigexplosivstoffen, Detektionssysteme für die Zulassung an europäischen Flughäfen.
»Die Anforderungen an die Detektionssysteme sind hoch«, erläutert Dirk Röseling, Leiter des Testcenters am Fraunhofer ICT, »ebenso an die Sicherheitsvorkehrungen hier bei uns im Haus«. Aufgrund unserer Ressortforschung für das Verteidigungsministerium sind wir in der Lage Explosivstoffe zu synthetisieren und auch damit umzugehen. Entsprechend einer Testroutine werden die Detektionssysteme der verschiedenen Anbieter auf »Herz und Nieren« geprüft, dabei darf einerseits kein Sprengstoff übersehen werden aber es darf natürlich auch zu keinem Fehlalarm kommen.
Durch viele unterschiedliche Detektionsmethoden versucht man derzeit Systeme zu entwickeln, die in der Lage sind, Flüssigsprengstoffe in verpackter Form (also zum Beispiel in einer verschlossenen Glasflasche) versteckt im Gepäckstück zu identifizieren. »Bis dahin ist noch einige Entwicklungsarbeit seitens der Hersteller zu leisten«, sagt Dirk Röseling. Bis das soweit ist, müssen die Fluggäste ihre Getränkeflasche weiterhin separat aufs Band legen. Vielleicht schon bald aber fällt die Beschränkung der maximalen Packungsgröße je Einheit von 100 Milliliter und die Trinkszenen an den Flughafen-Sicherheitskontrollen gehören dann der Vergangenheit an.
Gebäude effizient und ressourcenschonend dämmen
Energie einzusparen ist nicht nur der beste Ansatz um die Energiewende erfolgreich zu gestalten, sondern auch einer der kostengünstigsten, sofern die richtigen Ansätze dafür gewählt werden. Die gesetzlichen Anforderungen auf nationaler sowie internationaler Ebene von Gebäuden schreiben es vor, der gesunde Menschenverstand untermauert das: An der Energie, die wir in Gebäuden »verheizen« liegt noch sehr viel Einsparpotential, für den eigenen Geldbeutel und für die Umwelt. Demzufolge haben derzeit sowohl die Altbausanierung als auch neue Werkstoffe, Verfahren und Techniken für energetisch günstige Neubauten Hochkonjunktur.
Am Fraunhofer-Institut Chemische Technologie ICT widmen wir uns seit einigen Jahren verstärkt den Schaumwerkstoffen für die Gebäudedämmung, seit Ende 2011 auch dem Extrusionsschäumen. Für das physikalische Extrusionsschäumen hat das Fraunhofer ICT in eine so genannte Tandem-Anlage aus Primärextruder und Sekundärextruder investiert. Der Primärextruder dient zur Plastifizierung des Polymers, zur Treibmitteleinspeisung und Dispergierung, der Sekundärextruder zur Homogenisierung und Kühlung der treibmittelbeladenen Schmelze und zur Kalibrierung des Bauteils. »Wir haben europaweit die erste skalierbare Schaum-Tandem-Anlage im Forschungsbetrieb“, freut sich Jan Diemert, stellvertretender Abteilungsleiter Polymer Engineering am ICT, „entsprechend groß ist derzeit die Industrienachfrage«. In Zusammenarbeit mit dem Anlagenhersteller KraussMaffei Berstorff werden aktuell vor allem Bioschäume zum Beispiel auf Cellulose-Basis oder auf Basis von Polylactiden (PLA) entwickelt.
Weitere Schwerpunkte am Fraunhofer ICT sind die Entwicklung umweltfreundlicher Treibmittel und umweltfreundlicher Flammschutzmittel sowie dichteoptimierter Schaumstoffe mit gesenkten Wärmeleitfähigkeiten. »Das sind alles wesentliche Faktoren, sowohl bei der Altbausanierung als auch bei der Entwicklung von Dämmmaterialien für Neubauten, die zum einen dabei helfen, durch die guten thermischen Isolationseigenschaften, deutlich Energie einzusparen und zum andern auch stark zur Ressourcenschonung beitragen und damit "doppelt nachhaltig" sind«, ergänzt Jan Diemert.
Der Einsatz von rezyklierten Materialien in der Schaumextrusion, und ganz allgemein die Material- und Verfahrensentwicklung von verstärkten und unverstärkten Schaummaterialien mit sehr guten Wärmedämmungs- oder mit guten mechanischen Eigenschaften, stehen ebenfalls auf der Forschungsagenda des Fraunhofer ICT: zum Beispiel als Strukturen mit hoher Energieaufnahme und großem Leichtbaupotenzial in der Fahrzeugindustrie. »Insbesondere der Leichtbau wird derzeit eng mit der Umsetzbarkeit der Elektromobilität in Verbindung gebracht. Schaumwerkstoffe bekommen dabei zukünftig eine ganz besondere Bedeutung: Sie besitzen in Verbindung mit Verstärkungsstrukturen das größte Leichtbaupotential für Multi-Material-Komponenten und sie haben aufgrund des guten Gewicht pro Volumen-Verhältnisses ein großes Gewichts-Einsparpotential«, gibt der Gruppenleiter Schäumetechnologien, Florian Rapp, als weiteren Ausblick auf die Forschungsthemen. Vor allem Bauteile, bei denen (Stoß-)Energie aufgenommen werden muss, welche hohe akustische oder mechanische Dämpfungseigenschaften aufweisen müssen oder sehr gute thermische Isolationseigenschaften benötigen, nutzen die diesbezüglichen Vorteile von Schaumstrukturen.
Um die Synthese, Charakterisierung und Verarbeitung von Energetischen Materialien dreht sich die 43. Internationale Jahrestagung des Fraunhofer-Instituts Chemische Technologie
Neuartige Treib- und Explosivstoffe müssen eine Reihe technischer Anforderungen erfüllen. Das ist nicht immer ganz einfach, da sich zum Beispiel der Wunsch nach größerer Leistung gleichbedeutend mit besserer Reichweite und die Anforderung nach größerer Unempfindlichkeit und damit erhöhter Sicherheit der Werkstoffe, zum Beispiel bei Beschuss einer Munitionskiste, energetisch widersprechen. Am Fraunhofer-Institut Chemische Technologie werden deshalb Synthesen neuer chemischer Verbindungen durchgeführt. Die Nanotechnologie bei den Füllstoffen spielt dabei eine immer wesentlichere Rolle. Ebenfalls werden energetische ionische Liquide für den Einsatz als gelförmige Raketentreibstoffe derzeit stärker erforscht. Die Charakterisierung der Materialien entsprechend des gewünschten Lastenheftes, insbesondere aber auch um eine sichere Verarbeitung, Handhabung und Verwendung zu gewährleisten, sind wesentliche Aufgaben bei der Entwicklung neuer Treib- und Explosivstoffe.
»Ich freue mich auf die Tagung und den sehr offenen Austausch mit meinen internationalen, wissenschaftlichen Forscher-Kollegen«, sagt Tagungsleiter Jürgen Hürttlen, neben den Europäischen Ländern hat das Fraunhofer ICT viele Partner und Freunde in den USA, in Russland, Japan und Südkorea. Dieses Jahr sind sogar Beiträge aus Brasilien und Algerien eingegangen und ausgewählt worden. »Die vom Fraunhofer ICT Ende der 1960er Jahre initiierte Jahrestagung verdeutlicht das Zusammenwachsen der Welt in der wichtigen Aufgabe der Verteidigungs- und Sicherheitsforschung«, freut sich Jürgen Hürttlen.
38 Vorträge und über 60 wissenschaftliche Poster werden auf der 43. Internationalen Jahrestagung des ICT vom 26. Juni bis 29. Juni 2012 in der Stadthalle Karlsruhe vorgestellt und diskutiert. Etwa 250 Experten aus mehr als 20 Nationen werden in Karlsruhe zur Tagung erwartet.